Ein Wirtschaftsreport einer perfekt organisierten Produktionsfirma
Organisationsform: matriachale Monarchie = Gesellschaftsordnung, in der eine Frau die alleinige Herrscherin ist.
Herstellungsprodukt: hochwertiger Honig, ein 100%iges Naturprodukt, unbegrenzt haltbar.
Anzahl der Mitarbeiterinnen: ca. 50 000
Alle sind tolle „Flugmaschinen“, die so wenig Energie brauchen, dass sie mit nur einem Suppenlöffel voll Zucker rund um die Erde fliegen können. Außerdem sind alle unvorstellbar leistungsbereit. Für einen Kilo Honig legen sie zw. 43 000-80 000 Flugkilometer zurück. Dazu brauchen sie zw. 6 600 und
14 000 Stunden. Sie fliegen dabei zw. 1,5 und 17 Millionen Blüten an.
Die Vorratsbehälter der Firma sind genial: Die Wände der Waben sind nur einen zehntel Millimeter dick. Auf einer Fläche von 1 dm2 können 2kg Honig gelagert werden.
Die Temperatur im Firmengebäude ist immer gleich. Egal ob es draußen stürmt, schneit oder die Sonne scheint. Drinnen hat es immer 37 °C, auch ohne Zentralheizung und Fernwärme. Hier wird echte Körperarbeit geleistet. Brustventilation heißt die alternative Heiz- und Kühlform! Dabei werden die Flügel ausgehängt und nur die Muskulatur bewegt sich. Ähnlich funktioniert unser Zittern.
Die Mutter von allen ist die Königin. Sie ist um ihre Stellung nicht zu beneiden. Ihre einzige Aufgabe ist es ihr ganzes Leben Eier und wieder Eier zu legen. Fünf Jahre lang, bis sie stirbt. Das Bienenhaus hat sie in ihrer Jugend zu ein- oder zweimal verlassen, um schnell Hochzeit zu feiern. Von etwa zwölf männlichen Bienen (Drohnen) hat sie sich begatten lassen und trägt danach soviel Samen ins sich, dass sie ab jetzt ständig für Nachkommenschaft sorgen kann. Alle Bewohnerinnen werden aus ihren Eiern schlüpfen. Auch die Drohnen. Selbst eine junge Königin wird aus einem ihrer Eier geboren werden, wenn sie selber alt und schwach ist.
Im Haus sind alle „very busy“: Die frisch geschlüpften Arbeiterinnen haben Innendienst wie beim Bundesheer. In einem Haus mit so vielen Bewohnerinnen gibt es eine Menge zu tun. Man muss sich um die Larven kümmern, damit aus ihnen etwas wird. Die Königin muss rund um die Uhr betreut werden und diese „Machos“ von Drohnen können nicht einmal selber essen.
Ganz zu schweigen von den Waben aus Wachs, die gebaut werden müssen. Woher das Wachs kommt? Ganz einfach: Bienen haben „Wachsdrüsen“, so wie wir Schweißdrüsen. Richtig ! Bienen können „Wachs schwitzen“ und daraus Zellen bauen. Unfälle gibt es überall. Daher werden auch Leichenträgerinnen benötigt, die verunglückte Bienen aus dem Haus entfernt. Die Bienen, die in der „Küche“ arbeiten sind wirklich im Stress. Der kiloweise herbe gekarrten Nektar muss sofort verarbeitet und abfüllt werden.
Ein Haus mit so reicher Beute ist nicht vor Überfällen gefeit. Ohne Wächterinnen und Bodyguards würde der kostbare Honig von daher gelaufenen Dieben wie Hornissen, fremden Bienen und Totenkopffalter bald gestohlen sein. Auf dem Flugbrett werde richtige „Identitätskontrollen“ durchgeführt. Nur wer richtig riecht gehört auch dazu und darf hinein.
Erst im letzten Drittel ihres Lebens geht eine Arbeitsbiene auf Reisen. Nicht zum Vergnügen, sondern zum Sammeln - bis die Wadln krachen! Ihre Schwestern im Haus brauchen Nektar zum Honigmachen, Wasser und Pollen. Mit dem Wasser wird entweder das Haus bei großer Hitze abgekühlt oder der verdickte Honig verflüssigt. Die Pollen dienen als Nahrung für die Larven.
Suchbienen stehen zeitig auf.
Haben sie zum Beispiel ein blühendes Rapsfeld oder eine Lindenblütenallee entdeckt, beginnen sie zum Tanzen. Nicht vor Freude, sondern um den Sammlerinnen mitzuteilen, wo sie hinfliegen sollen. Tanzen statt Sprechen ist uns eine völlig unbekannte Art wichtige Informationen weiterzugeben. Nur wer die Sprache der Rund- und Schwänzeltänze kennt, weiß wo die ertragreichen Futterquellen zu finden sind.
Leitspruch der Wohngemeinschaft: „Gemeinsam sind wir stark“
Zu einer Wirtschaftskrise kommt es, wenn die Bienen von den Varroamilben befallen werden, oder ein hungriger Braunbär auftaucht (in Österreich eher unwahrscheinlich, außer die Bienen haben ihren Wohnsitz rund um den Ötscher).
Die wohlverdiente Winterpause verbringen die Bienen zu Hause. Nicht vor dem Fernsehen, sondern in der Mitte ihres Hauses. Dicht zusammengedrängt und ständig bemüht nicht auszukühlen wechseln sie die Plätze von der Oberfläche der Traube ins Innere. Wer sich lang genug aufgewärmt hat, muss Platz machen für Frierenden.
Text: Andrea Sikorski, Fotos: Hans Rameder